Fortbildung

„Hauptfach Mensch“:
Pädagogisches Handeln am christlichen Menschenbild ausrichten

Ein Rahmenmodell für das Fortbildungsangebot des Katholischen Schulwerks in Bayern

Mit der Tätigkeit als Lehrkraft an einer kirchlichen Schule ist ein besonderer Auftrag verbunden: Es gilt, sich im pädagogischen Handeln vom christlichen Menschenbild leiten zu lassen. Hierzu zählen die folgenden drei Dimensionen:

Bedeutsam ist, dass Lehrkräfte den Lebensraum kirchliche Schule für ihre Schüler/-innen auch „erlebbar“ machen. Das Katholische Schulwerk in Bayern (schulwerk-bayern.de) unterstützt sie mit Fortbildungsangeboten dabei, sich in ihrem pädagogischen Handeln am christlichen Menschenbild zu orientieren. Die drei Dimensionen bilden das Rahmenmodell für die Fortbildungsangebote des Katholischen Schulwerks in Bayern. Hierzu mehrere Beispiele:

Emotionscoaching oder Geschlechtersensible Pädagogik sind Beispiele für Veranstaltungen aus Dimension 1. Die Fortbildung Spiele und Rituale zur Förderung der Klassengemeinschaft ist in Dimension 2 verortet.Gleiches gilt für Gelingende Elterngespräche mit Jugendlichen führen oder aber für Mobbing: Prävention & Intervention. Auch sämtliche Fortbildungen rund ums Thema Umweltpädagogik lassen sich Dimension 2 zuordnen. Ein Beispiel für einFortbildungsangebot aus Dimension 3 wäre Orientierungswissen für Lehrkräfte: Am Beispiel des kirchlichen Jahreskreises zentrale Glaubensthemen kennenlernen, deren Lebensrelevanz bezogen auf die Lernenden sehen und ins Gespräch bringen können. Es gibt aber auch umfangreichere Fortbildungsreihen, die alle drei Dimension berühren.Der Einführungskurs für neue Lehrkräftean kirchlichen Schulen oder die Fortbildungsreihe zum Unterrichten an Schulen mit Marchtaler-Plan-Pädagogik sind Beispiele hierfür.

Voraussetzung für erfolgreiche Fortbildungsteilnahme ist, dass Lehrkräfte auch die Haltung einnehmen, sich in ihrem pädagogischen Handeln vom christlichen Menschenbild leiten zu lassen. Insofern wird in den Fortbildungsangeboten des Katholischen Schulwerks nicht nur Wissen vermittelt und Praxis eingeübt, sondern es werden immer auch Haltungen reflektiert.

Warum gerade diese drei Dimensionen? Und was genau tun Lehrkräfte, die sich in ihrem pädagogischen Handeln vom christlichen Menschenbild leiten lassen? Antwort auf diese Fragen gibt die folgende Herleitung des Modells:

Das Bildungsverständnis katholischer Prägung

„Die Erziehungs- und Bildungsarbeit Katholischer Schulen gründet in der christlichen Anthropologie, die jeden Menschen als geliebtes Geschöpf und unverfügbares Ebenbild Gottes sieht. Von dieser positiven Sicht auf den Menschen her verstehen Katholische Schulen Erziehung und Bildung als einen umfassenden Dienst am jungen Menschen mit dem Ziel, die ihm geschenkten Begabungen und persönlichen Anlagen zur Entfaltung zu bringen und an der Gestaltung der Welt in Freiheit verantwortlich mitzuwirken. (…) Die jungen Menschen sollen zu einer lebensbejahenden, von Freude und Zuversicht geprägten Haltung befähigt und zur Übernahme von Verantwortung für sich selbst und für andere ermutigt werden. Darin drückt sich die christliche Haltung der Hoffnung aus, deren Grund die Liebe und Treue Gottes ist.“1

Dieser ambitionierte Anspruch führt dazu, dass sämtliche Lehrkräfte kirchlicher Schulen eine Gemeinsamkeit haben: Sie alle unterrichten „Hauptfach Mensch“2. Was bedeutet das? Eine befreundete Schulleiterin formulierte es einmal so: „Es geht nicht darum, der Oberkatholik zu sein. Es geht darum, das christliche Menschenbild mit dem Herzen zu verstehen.“ Diese Formulierung ist so pointiert wie zentral, denn darauf ruht das katholische Bildungsverständnis. Was aber tun Lehrkräfte, die diesem Bildungsverständnis gerecht werden? Oder anders gefragt: Was heißt es, Lehrkraft an einer kirchlichen Schule zu sein?

Im Sinne des christlichen Menschenbildes pädagogisch handeln

Lehrkräfte, die dem oben skizzierten Bildungsverständnis gerecht werden, richten ihr pädagogisches Handeln am christlichen Menschenbild3 aus. Konkret heißt dies:

  1. Lehrkräfte unterstützen ihre Schüler/-innen bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit.
  2. Lehrkräfte fördern eine Kultur der Gemeinschaft und einen nachhaltigen Lebensstil.
  3. Lehrkräfte regen ihre Schüler/-innen zur Auseinandersetzung mit der religiösen und existenziellen Dimension menschlichen Lebens an.[4]

Die drei Dimensionen leiten sich aus der christlichen Ansicht her, dass jeder Mensch in ein „vierfaches Geflecht von Beziehungen“ eingebunden ist (Beziehung zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zur Welt, zu Gott).5

Im Folgenden werden die drei Dimensionen umrissen – knapp und verwoben mit katholischen Überzeugungen zu den Werten und Zielen menschlichen Lebens. Die Ausführungen sind verzahnt mit der schulischen Praxis.

Zu 1.: Lehrkräfte unterstützen ihre Schüler/-innen bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit

Im katholischen Bildungsverständnis verfügt jeder Mensch über Talente und Begabungen. Daher ist es bedeutsam, dass Lehrkräfte Bildungsangebote bereitstellen, die die individuellen Talente der Schüler/-innen berücksichtigen. Sie ermöglichen den jungen Menschen so, ihre Interessen und Begabungen zu entdecken und weiterzuentwickeln – gerade auch den nicht ganz so guten Schülern/-innen. Kirchliche Schulen stehen mit diesem Bildungsverständnis gleichzeitig für die Minimierung von Bildungsbenachteiligung und Förderung von Teilhabe. Insofern sind Lehrkräfte kirchlicher Schulen nicht nur als Wissensvermittler gefragt, sondern auch als Mutmacher für ihre Schüler/-innen in vermeintlich ausweglosen Situationen.

„Persönlichkeiten“ sind sich aber nicht nur eigener Begabungen und Talente bewusst, sie sind auch bereit und fähig, Haltungen einzunehmen. Lehrkräfte kirchlicher Schulen richten ihr pädagogisches Handeln also auf den „ganzen Menschen“: Sie vermitteln nicht nur Wissen und Können, sondern prägen auch Haltung und Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen. Es geht insofern darum, dass junge Menschen im Unterricht lernen, ihr Handeln zu reflektieren, sich eigene Positionen, Einstellungen vor Augen zu führen und sie gegebenenfalls kritisch zu hinterfragen.

Zu 2.: Lehrkräfte fördern eine „Kultur der Gemeinschaft“ und einen nachhaltigen Lebensstil

Menschliches Leben ist nach katholischer Sicht darauf ausgelegt, sich in gelingender Gemeinschaft zu vollziehen. Das Wohl des/ der Einzelnen und das der Gemeinschaft sollten ausgewogen nebeneinanderstehen. In welchem Umfeld könnten junge Menschen dies besser lernen als in der schulischen Gemeinschaft selbst? Lehrkräfte sind daher gefragt, eine Kultur der Gemeinschaft zu fördern und sind dabei selbst Vorbild. Insofern pflegen Lehrkräfte qualitätsvolle zwischenmenschliche Beziehungen zu den anderen Lehrpersonen, aber auch zu den Schülern/-innen, und sie fördern einen solchen Umgang der Schüler/-innen untereinander. Sie erziehen die Schüler/-innen zum Leben in Gemeinschaft, zur Beachtung sozialer Tugenden wie Kooperationsbereitschaft, Konfliktfähigkeit, Höflichkeit, Freundlichkeit und Rücksichtnahme. Wichtig ist dabei auch, dass Lehrpersonen nach Fehlverhalten einen neuen Anfang ermöglichen (Lehrperson ist nicht nachtragend, geht ersten Schritt, …). Aber auch die Erziehung dazu, die Mitwelt der Schöpfung nachhaltig bewahrend zu gestalten, kann unter einer Kultur der Gemeinschaft subsummiert werden.

All diese Aspekte tragen dazu bei, dass junge Menschen darin gestärkt werden, in Dialog mit anderen Menschen zu treten - ein wesentliches Bildungsziel in einer von Heterogenität und Diversität geprägten Gesellschaft.

Zu 3.: Lehrkräfte regen ihre Schüler/-innen zu Auseinandersetzung mit der religiösen und existenziellen Dimension menschlichen Lebens an.

Lehrkräfte kirchlicher Schulen treten immer wieder aus der eigenen fachwissenschaftlichen Binnenperspektive heraus und sind bereit, auch religiöse und existenzielle Facetten eines Themas zu beleuchten. Es geht dabei darum, Fachinhalte aus Sicht der Schüler/-innen zu denken. Lehrkräfte müssen bei der Unterrichtsplanung überlegen: „Was bewegt die jungen Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation und welche existenziellen oder religiösen Fragen stehen dahinter? Wie könnten diese Fragen anhand des jeweiligen Unterrichtsthemas zur Sprache gebracht werden?“ Im Unterrichtsgespräch sollte dann auf keiner Seite das Suchen und Zweifeln ausgeblendet werden. Auf diese Weise sind Erkenntnisse der Wirklichkeit verwoben mit christlich-ethischer Reflexion.

Fachinhalte so mit der Orientierungssucheder Lernenden zu verknüpfen, ist eine Bereicherung für Unterricht, der sich nicht im Aufbau von Wissen und Kompetenzen erschöpft, sondern der um eine anthropologische Dimension angereichert wird.

Katholisches Bildungsverständnis – eine tolle Chance für unsere Gesellschaft!

In der oben beschriebenen Weise können Kinder und Jugendliche in einem Unterricht katholischer Prägung das lernen, was sie für das Leben in einer sich schnell ändernden, krisenhaften Welt benötigen. Denn das katholische Bildungsverständnis zielt darauf ab, junge Menschen zu „starken und verantwortungsbewussten, freien und entscheidungsfähigen Persönlichkeiten heranzubilden“6. Eine tolle Chance für unsere Gesellschaft!

Dr. Susanne Sachenbacher
Referentin für Fortbildungen
Katholisches Schulwerk in Bayern

 


1 Deutsche Bischofskonferenz: Erziehung und Bildung im Geist der Frohen Botschaft. Sieben Thesen zum Selbstverständnis und Auftrag Katholischer Schulen. Bonn 2016, S. 12.

2 Diese Formulierung wurde von den Oblatinnen in Linz (Österreich) geprägt, die dort Schulen für Wirtschafts- und Pflegeberufe tragen.

3 Christliches Menschenbild umfasst nicht nur die Geschöpflichkeit des Menschen und seine damit verbundene Verantwortung für die Schöpfung wie die menschliche Gemeinschaft, sondern ebenso seine Existenz unter dem Vorzeichen der Erlösung. Der Umgang mit Schuld und Vergebung gehören wie ein Leben in Hoffnung und Freiheit zu dieser Grundsicht.

4 Die drei Dimensionen entsprechen dem pädagogischen Konzept der Schulen der Erzdiözese München und Freising. Vgl. Erzbischöfliches Ordinariat: Die Schulen der Erzdiözese München und Freising. Auftrag und Zukunft. München 2019, S. 8-10.

5 Vgl. Müller, Max: Erziehender Unterricht. Ein Beitrag aus der Sicht christlicher Anthropologie. Rottenburg: Bischöfliches Schulamt, 1989, S. 22.

6 Kongregation für das katholische Bildungswesen: Die katholische Schule. Rom, 1977, Nr. 31.