Zum Glauben eine Türe öffnen

 

Vortrag am 15.9.1999 in Freising

Vollversammlung des Katholischen Schulwerks in Bayern

OStD a.D. Dr. Karl Pörnbacher, Sachsenried

 

 

Nähern wir uns einem Jahrtausend ohne Christentum? Natürlich nicht, auch wenn Er­geb­nisse von Befragungen einen rapiden Rückgang an Mitgliedern befürchten lassen. Ich nenne einige Zahlen:

In Deutschland gehören seit der Wende 34,6% der Bevölkerung nominell der katholi­schen Kirche an, 38,8% der evangelischen, 4,1% kleineren Religionen. 22,5% sind konfessionslos, 81% glauben nicht an ein Weiterleben nach dem Tod. 3o% wissen nicht, warum die Kirche Ostern feiert. Nur noch ganze 2o% kennen die Bedeutung aller kirchlichen Feste.

Eine schrumpfende Minderheit interessiert sich für öffentliche religiöse Belehrung, für Gottesdienste oder kirchliche Veranstaltungen. Wer sich auf die Bibel oder eine theolo­gische Autorität beruft, hat wenig Chancen, gehört zu werden, es sei denn, es handelt sich um einen Theologen, der sich lautstark und öffentlichkeitswirksam mit dem Papst anlegt.

Besonders kritisch ist die Situation bei jungen Menschen: Gerade noch ein Drittel von ihnen bezeichnet sich als religiös. Das heißt aber noch nicht, dass sich diese einer Kon­fession zugehörig fühlen; vielmehr halten sie die Existenz einer ,,höheren Macht“ für mög­lich. 67% unserer jungen Menschen sehen keine Notwendigkeit für den Glauben an Gott.

Derartige Zahlen sind kein Grund, um in Panik auszubrechen, aber doch wichtig genug, um sich ernsthafte Gedanken zu machen.

Die Medien bemühen sich eifrig darum, mit oft kaum verhüllter Genugtuung darauf hin­zu­weisen, dass sich die Kirche und zumal ihre leitenden Männer in einer Krise befinden, die Schlimmstes befürchten lässt. Dazu meint der österreichisch-amerikanische Reli­gions­­soziologe Peter L. Berger in wohltuender Sachlichkeit:

Wenn Krise im medizinischen Sinne als Zustand zwischen Leben und Tod verstanden wird, dann trifft der Begriff für die Kirche sicherlich nicht zu. Sie ist nach unserer Über­zeugung keine menschliche Einrichtung, sondern ein Werk Gottes und deshalb in ihrer Existenz nicht bedroht.

Innerhalb einer sich rapide wandelnden Gesellschaft wird sich natürlich auch die Kirche än­dern. Sie steht deshalb vor schwierigen Entscheidungen. Wenn also der Begriff ,,Kri­se“ mit Umbruch oder Neuanfang gleichgesetzt wird, dann trifft er für die Kirche zu.

Freilich hat man bisweilen den Eindruck, als wolle die Kirche dies ungern zur Kenntnis nehmen, als sei sie zuversichtlich der Überzeugung, dass alles bestens geregelt ist, abgesehen vielleicht von der betrüblichen Ausnahme, dass die Kirchensteuern weniger werden, wenn auch nicht in dem befürchteten Ausmaß. Die Finanzdirektoren der Diöze­sen verweisen zurecht darauf, dass man nun nach Jahren verhältnismäßig großzügigen und im Hinblick auf die Zukunft auch sorglosen Wirtschaftens mit knapperen Beträgen auskommen und deshalb Prioritäten setzen müsse. Es gibt allerdings Bemühungen, zusätzliche Einnahmen über das Kirchengeld und über das neugegründete ,,Zentral­institut für kirchliche Stiftungen“ zu erschließen.

Durchschnittsfamilien mit mehreren Kindern mussten schon immer Prioritäten bedenken und haben stets viele Opfer ge­bracht, etwa bei Urlaubsreisen oder Kleidung. Der Bereich, bei dem Familien jedoch ungern sparen, ist die Ausbildung der Kinder. Hier sind die Eltern zu großen Opfern bereit; denn sie wissen, dass die Zukunft ihrer Kinder von Art und Umfang der Schul­bil­dung abhängen wird. In einer derart mobilen Gesellschaft wie der unsrigen gilt das in verstärktem Maße. Auch die einzelnen Bundesländer bemühen sich, für die Ausbildung der jungen Menschen bessere Wege zu schaffen.

Politische Parteien und Firmen suchen Einfluss auf junge Menschen zu gewinnen, weil sie sich im klaren sind, dass ihre Zukunft letztlich davon abhängen wird, bis zu welchem Grad sie die nachwachsende Generation von ihren Zielen überzeugen können. Die Par­teien laden großzügig zu selbstverständlich kostenlosen Seminaren, zumal wenn es sich um Schülerzeitungsredakteure, also um Multiplikatoren, handelt. Große Firmen sponsern Tagungen mit Schülern und Studenten und schicken als Referenten ihre besten Leute, um die Teilnehmer in ihrem Sinn zu beeinflussen.

Auch die Kirche muss, wie die eingangs genannten Zahlen belegen, mittlerweile über­legen, wie sie Mitglieder halten oder neue werben kann. Dies freilich weniger wegen finanztechnischer oder machtpolitischer Überlegungen, sondern weil sie den Auftrag Christi zu befolgen hat, seine Lehre zu verbreiten und nicht mit den bestehenden Ver­hältnissen zufrieden zu sein, etwa mit dem erheblichen Rückgang der Gottesdienst­be­sucher am Sonntag. Die Zahl der Gottesdienstbesucher wird wohl noch weiter zu­rück­­gehen, wenn wegen des Priestermangels anstelle der Eucharistiefeier ähnlich wie in der evangelischen Kirche häufig nur noch Wortgottesdienste stattfinden können.

Natürlich werden alle diese Tatsachen von den verantwortlichen Leuten gesehen und zumindest in Kommissionen sorgfältig bedacht. Denn die Kirche fühlt sich in einem solchen Minderheitenszenario gar nicht wohl und nimmt auch nicht achselzuckend zur Kenntnis, dass Deutschland nicht erst seit der Wiedervereinigung Missionsland ist. Viele Verantwortliche sehen, dass man bei Kindern und Jugendlichen ansetzen muss, wenn man eine Änderung herbeiführen will. Bayerische Diözesen haben dabei mit der Gründung des Schulwerks mutig und mit Weitblick Großartiges und Vorbildliches gelei­stet. Dies gilt es allerdings nicht nur zu erhalten, sondern noch auszubauen.

Katholische Schulen versuchen, vieles von dem zu übernehmen, was früher ganz selbstverständlich das Elternhaus geleistet hat. Ihre Schulen sollen einen Lebensraum bieten, in dem Menschen für den christlichen Glauben zu begeistern sind. Hier soll jun­gen Menschen geholfen werden, einen persönlichen Weg und eine Türe zum Glauben zu finden.

Eine von der Kirche getragene Schule muss nicht von vorneherein besser sein als eine staatliche; aber sie hat die Chance dazu. Sie kann neben den Unterrichtsfächern Erziehung und Bildung im Geist und in der Freiheit Gottes vermitteln. Natürlich besteht bei den jungen Menschen meist kein Heißhunger auf Bildung oder Spiritualität; das Bedürfnis dafür muss vielmehr erst geweckt werden.

Erfreulicherweise gibt es viele derartige Bemühungen, die mit großem Aufwand an Ideen und finanziellen Mitteln betrieben werden. In den neuen Bundesländern sucht die Kirche zum Beispiel ziemlich unkonventionell nach Ersatzmöglichkeiten für die Jugend­weihe oder organisiert mit erstaunlichem Mut und wohl realistischer Einschätzung der bestehenden Verhältnisse auch Gottesdienstangebote für Nichtgläubige, vor allem für Jugendliche.

Ähnliche Überlegungen gibt es selbstverständlich auch in den Nachbarländern:

Der Bischof der nordböhmischen Diözese Leitmeritz erklärte im November 1998 gegen­über der Augsburger Kirchenzeitung, dass eine Evangelisierung Tschechiens nur über Familien und Kindern gelingen könne.

Kardinal Carlo Maria Martini, Bischof in Mailand, hat im Dezember des vergangenen Jahres ein Video mit dem Titel ,,Brief an Jugendliche, die ich nicht treffe“ an Lehrer, Erzieher und andere Multiplikatoren verschickt.

Alle diese Bemühungen erwachsen aus der Überzeugung, dass die Zukunft unserer Kirche durch verstärktes Bemühen um junge Menschen gesichert werden muss. Vorbilder dafür gibt es genügend. Ich erinnere an das 16. Jahrhundert, an die Zeit der katholischen Reform. Damals waren es Patres aus dem Jesuitenorden, die mit Zuver­sicht daran gingen, die Menschen im katholischen Glauben zu stärken oder dafür zurück­zugewinnen. Dabei wählten sie zwei Möglichkeiten: einmal sorgfältig gestaltete Gottesdienste, in denen die Menschen durch ansprechende Zeremonien, gute Kirchen­musik und sorgfältig vorbereitete Predigten angesprochen werden sollten. Dies gelang mit überzeugendem Erfolg; die Kirchen waren voll.

Zum zweiten wählten sie den Unterricht jeder Art, von der weiterführenden Schule bis zur Universität, um Menschen für den Glauben zu gewinnen. Dabei wollten sie natürlich nicht nur die Kinder glaubenstreuer Katholiken unterrichten. Mindestens ebenso wichtig waren ihnen die Kinder aus evangelischen oder religiös indifferenten Familien. Diese wurden vielfach in ihre Schulen geschickt, weil die Jesuiten einen besseren Unterricht boten, als andere Gymnasien. Man wusste, dass sie neben der Wissensvermittlung Wert auf gute Umgangsformen legten und den Charakter zu bilden suchten. Bezeichnend ist die Klage eines evangelischen Zeitgenossen des hl. Petrus Canisius:

,,Wie viele von den Unsrigen sind so gelehrt und wohlunterrichtet wie die Jesuiten? Wie viele so eiferig und geschickt im Unterricht der Jugend, wie diese Sendlinge des römi­schen Antichrist?“

Die Jesuiten haben auch auf diesem Gebiet damals mehr erreicht, als man zunächst überhaupt zu hoffen gewagt hatte, und in vielen Städten wurden ihre Schulgründungen von den Ortsgeistlichen und von der Bürgerschaft, die selbstverständlich auch an den Nutzen für die eigenen Kinder dachte, großzügig unterstützt.

An diese erfolgreiche Tätigkeit sollte man sich erinnern,

w e n n  man heute bisweilen gar nicht nur dankbar ist, dass unsere katholischen Bil­dungs­­einrichtungen, in Deutschland immerhin rund 1200, so starken Zulauf finden;

w e n n  seltsamerweise ernsthaft überlegt wird, ob man nicht intakte Bildungseinrichtungen bequemerweise schließen könnte, falls Staat und Kommunen die Personal- und Sachkosten in zu geringem Maße übernehmen;

w e n n  man in Erwägung zieht, nur katholische Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, gelegentlich sogar mit der eigenartigen Begründung, das seien schließlich die Kinder der Kirchensteuerzahler, die bedient werden müssten;

w e n n  man den Nutzen einer katholischen Schule gar danach bemessen möchte, wie viele ihrer Schüler den Sonntagsgottesdienst besuchen.

Mit starrem Blick auf mögliche Kosten ist man immer wieder geneigt, den Auftrag Christi zu vergessen, allen Menschen die Türe zum Glauben zu öffnen. Der Theologe Erik Müller-Schoppen sieht deshalb die Kirchen eher als ,,kritische Türsteher, die kontrol­lieren, wer über ihre Schwelle kommt, statt sich als bereitwillige Helfer bei der Suche nach dem Sinn des Lebens zu präsentieren.“ Ähnlich lautet die sachliche Feststellung von Renate Köcher, der Chefin des Instituts für Demoskopie in Allensbach, dass den christlichen Kirchen heute ,jeder missionarische Zug weitgehend fremd geworden ist“. Die Kirchen betonen gerne ihr caritatives Engagement, doch ,,Glauben und Glaubens­fragen“ klammern sie lieber aus und denken kaum darüber nach, ,,was man der Gesell­schaft in bezug auf Glaubenssubstanz und Wertevermittlung“ bieten könnte, auch wenn dies schwierig genug ist.

Es besteht wohl kaum ein Zweifel, dass schon im Hinblick auf die Glaubensverkündi­gung den katholischen Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität eine entscheidende Funktion zukommt, zumal wenn sie noch zielbewusster als bisher geför­dert und gefordert werden!

So wie im 16. und 17. Jahrhundert die Jesuitenschulen, erleben die katholischen Schulen heute eine erstaunliche Nachfrage. Eltern, die anderen Konfessionen oder Religionen angehören, schicken ebenso ihre Kinder wie bekenntnislose Eltern. Alle zu­sam­men meinen sie, dass man an einer katholischen Schule gut aufgehoben ist. Dabei ist ihnen wichtig, dass die katholische Schule auf die hohe Qualität der Lehrer achten kann, dass eine ausgeprägte Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus besteht und dass soziales Engagement besonders gefördert wird. Immer wieder kann man die Erfahrung machen, dass bekenntnislose Eltern überdies oft gar nicht einmal unglücklich sind bei dem Gedanken, ihr Kind könnte später, wenn es selbst zu entscheiden hat, im katholischen Bereich eine religiöse Heimat finden.

Es ist eine Tatsache, dass auch Menschen, die der katholischen Kirche oder dem Christen­­tum überhaupt indifferent oder gar kritisch gegenüberstehen, im Falle einer ernsthaften Erkrankung am liebsten in ein Krankenhaus gehen, das von katholischen Ordensschwestern geführt wird. Hier erhoffen sie - und das oft zurecht - die beste Pflege. So ähnlich scheint das bisweilen auch bei den Schulen in katholischer Trägerschaft zu sein, die ein erfreulich hohes Ansehen haben und als Schulen gelten, die vernünftige Grundsätze für das spätere Leben vermitteln und in denen der Schüler im Mittelpunkt steht.

Man erwartet also, kurz gesagt, eine bessere Förderung für das Kind und weniger Sor­gen wegen Gewalt oder Drogen. Dafür ist man durchaus auch bereit, gewisse Schul­geld­kosten auf sich zu nehmen.

Als bei mir bekenntnislose Eltern, die schon ein Kind an der Schule hatten, auch ihr sehr begabtes, aber schwerstbehindertes zweites Kind anmeldeten und mir sagten, wenn ihre kleine Tochter überhaupt eine Chance an einer weiterführenden Schule habe, dann nur an der katholischen Schule, da empfand ich das als eine Bestätigung dafür, dass wir auf dem richtigen Weg waren.

Um Missverständnisse auszuschließen: das bedeutet natürlich nicht, dass die katho­li­sche Schule ungerechtfertigt gut benotet, auch wenn Eltern gelegentlich eben dies mit dem Hinweis auf christliche Nächstenliebe erwarten.

Ich denke zum Beispiel an Eltern, die ihr Kind nach völligem Versagen an einem anderen Gymnasium während des Schuljahres brachten und nicht nur enttäuscht, sondern auch erbost waren, als sich an der katholischen Schule kein sofortiger Erfolg einstellte. Nur aus Rücksichtnahme wollten sie nicht gleich an den Diözesanbischof schreiben, aber immerhin gedachten sie beim Schulwerk Beschwerde über die rück­sichtslose Schule einzulegen.

Schwieriger war der Fall einer bekenntnislosen Mutter, die der festen Überzeugung war, dass der Erfolg an der Schule vom Bekenntnis zur katholischen Religion abhänge. Bei der Anmeldung kündigte sie energisch an, dass ihre Tochter am folgenden Tag zur Kommu­nion gehen werde. Es bedurfte nachhaltiger Überredung, um die rasch ent­schlos­sene Mutter von derart ,,frommen“ Vorsätzen abzubringen.

Immerhin haben beide Mütter dann wohl begriffen, dass die Zugehörigkeit zur katholi­schen Konfession weder Vorbedingung für die Aufnahme, noch Voraussetzung für gute Noten war. Neben der guten Förderung der Kinder muss es eben auch die notwendigen Forderungen nach Begabung und Leistungsbereitschaft geben. Vor allem aber stellt sich die Frage, wodurch die katholische Schule den ihr anvertrauten jungen Menschen eine Türe zum Glauben öffnen kann, immer vorausgesetzt, dass der Wunsch dazu vor­handen ist oder geweckt werden kann?

Da gibt es zunächst einmal die Chance, geeignete Lehrer einzustellen. Im Gegensatz zur staatlichen Schule werden sie nicht zugeteilt, sondern können ausgewählt werden. Natürlich ist die wissenschaftliche und pädagogische Befähigung unverzichtbare Vor­aus­setzung für die Einstellung. Die katho­lische Schule braucht keine pädagogischen Langweiler, die vorsichtig zurückhaltend von einer höchst bescheidenen Wissenschafts- ­und Unterrichtsdiät leben und schon ihre Anfangsjahre nur in der Vorfreude auf die zukünftige Rente oder Pension über­stehen.

Vielmehr müssen Freude und Begeisterung vorhanden sein, wenn beim Schüler zumin­dest ein Funke überspringen soll. Mathematiklehrer, um ein Beispiel zu nennen, wissen, dass Mathematik Spaß macht, ja fasziniert. 9o % ihrer Schüler erfahren dies im Laufe ihrer Schulzeit durch ihre Lehrer leider nur selten oder überhaupt nicht. Der Lehrer muss außerdem junge Menschen mögen, sie ernst nehmen und nicht nur halbfertige Erwachsene in ihnen sehen, die ihn ärgern und ihm Arbeit machen. Weiterhin erwarten wir von unseren Lehrern, dass sie auch etwas von ihrer Freizeit in der Schule einbrin­gen. Wir wollen, dass sie nicht möglichst knapp vor dem Unterricht erscheinen und das Schulgebäude am liebsten noch vor den Schülern wieder verlassen, sondern, wenn nö­tig, auch außerhalb der Unterrichtszeit zur Verfügung stehen. Ähnliches verlangt neuer­dings auch das Kultusministerium in Baden-Württemberg von seinen Lehrern.

Schließlich ist selbstverständliche Grundvoraussetzung, dass sich der Lehrer ohne Ein­schränkung zum Christentum bekennt. Dies heißt freilich nicht, dass er auf den Gängen unentwegt Kirchenlieder pfeift und im Lehrerzimmer nur Erbauliches von sich gibt. Ein junger Kollege, der seine Bewerbung mit der an sich erfreulichen Tatsache begründete, dass er so gerne bete, erwies sich für die Arbeit an der katholischen Schu­le als völlig ungeeignet.

Die katholische Schule benötigt vielmehr Lehrkräfte, die den Schülern wegen ihrer fachlichen Tüchtigkeit imponieren und sie andererseits durch ihr gelebtes Christentum überzeugen, dies oft nachhaltiger als die Religionslehrer im Unterricht.

Bei Schulgottesdiensten begleiten unsere Lehrkräfte die Schüler nicht nur bis zur Kir­chentüre, um sich selbst zur beschaulichen Meditation ins benachbarte Kaffee zurück­zuziehen. Durch aktive Teilnahme am Gottesdienst geben sie das richtige Beispiel. Das ist wichtiger, als seufzend festzustellen, dass selbst hochgestellte Kirchen­männer leider auch nicht vollkommen sind.

Wir brauchen realistische Frauen und Männer, die freudig und selbstbewusst für ihre Schüler da sind; die durchaus auch an den berühmten Satz denken, der dem hl. Franz von Sales zugeschrieben wird: dass man mit einem Tropfen Honig mehr Fliegen fängt als mit einem Fass voll Essig.

Wir wollen Lehrer, die durch ihre Persönlichkeit erziehen. Adalbert Stifter, der selbst wohl kein begnadeter Erzieher war, hat in seinem Roman ,,Der Nachsommer“ über die Erziehung zumindest großartig geschrieben: ,,Der Unterricht ist viel leichter als die Erziehung. Zu ihm darf man nur etwas wissen und es mitteilen können, zur Erziehung muss man etwas sein. Wenn aber jemand etwas ist, dann, glaube ich, erzieht er auch leicht.“

Jede Schule hat Lehrer zu ertragen, die nicht unbedingt zu den Spitzenkräften gehören. Ein ungeeigneter oder auch nur ein bedingt geeigneter Schulleiter allerdings fügt der Schule auf Jahre hin Schaden zu. Wenn er die Forderungen, die er an seine Lehrer stellt, nicht vorleben kann, dann ist die Schule ihr Geld nicht wert.

Ebenso wie von den Lehrern wird die katholische Schule auch von ihren Sch ü l e r n geprägt. Sie kommen, wie gesagt, aus sämtlichen Bevölkerungsschichten und bringen selten besonders günstige Voraussetzungen mit. Es handelt sich eben um ganz nor­male junge Leute:

Da sind Kinder aus katholischem Elternhaus, in dem die Eltern oft nur gelegentlich oder auch gar nicht mehr zur Kirche gehen und sich die Kinder nach ihrer Erstkommunion eher indifferent verhalten.

Dann gibt es die Kinder aus evangelischen Familien, die natürlich nicht katholisch gemacht werden sollen. Sie dürfen jedoch ebenso wie die Kinder aus bekenntnislosen Familien in der Schule etwas vom Geist des Christentums in der katholischen Kirche spüren.

Vor allem bei den Kindern, die bekenntnislos sind, erfüllt die katholische Schule auch eine entscheidende missionarische Aufgabe. Es gibt genügend Eltern, die in falsch verstandener Großzügigkeit und vermeintlicher Toleranz ihre Kinder selbst entscheiden lassen wollen, welcher Glaubensrichtung sie einmal folgen werden. Aber dies ist nur möglich, wenn sie vorher informiert worden sind.

Dafür ist vor allem der Religionsunterricht wichtig. Er wird nicht den Ethikunterricht nachahmen, sondern die Bibel in den Mittelpunkt stellen. Sie muss den jungen Menschen vermittelt werden. Niemand soll sagen können, wie es der Erfurter Dom­pfarrer Reinhard Hauke einmal formuliert hat: ,,Ich konnte Gott nicht erfahren, weil niemand da war, der mir von ihm erzählt hat.“

Der Frankfurter Philosoph Eckhard Nordhofen hat in seinem 1998 erschienenen Roman ,,Die Mädchen, der Lehrer und der liebe Gott“ Beispiele dafür genannt, was im Lauf der

Schuljahre von den Religionslehrern, die besonders modern sein wollten, besprochen wird: ,,Liebe, Freundschaft, Ehe, Umweltverschmutzung, Dritte Welt und Sekten, Okkultismus und Astrologie. Von der Bibel war nicht die Rede.“ Die Schüler sollten lernen, ,,dass der liebe Gott kein alter Mann mit Bart, sondern ein unsichtbarer Natur­schützer weiblichen Geschlechtes war, der, beziehungsweise die es gern sähe, dass alle Europäer sich in südamerikanischen Basisgemeinden zusammenschlössen, sich beim Gottesdienst geschwisterlich die Hände zum Friedensgruß reichten und schun­kelnd deutsche Kirchentagslieder sängen oder ,,We shall overcome“.“ (S. 136f.) Das macht verständlich, meint der Verfasser, weshalb viele Schüler lieber den Ethikunter­richt besuchten.

Auch bei den Schülern der katholischen Schule schwindet mit zunehmendem Alter die Achtung vor Autoritäten: vor Eltern und Lehrern , vor Politikern und auch vor Priestern, Bischöfen oder vor dem Papst. In der Unbedingtheit junger Menschen und mit dem Vor­recht der mangelnden Erfahrung beurteilen sie diese Personengruppen in beson­ders kritischer Opposition nach ihrem charakterlichen und intellektuellem Format.

Vorschriften der Kirche werden längst nicht mehr bereitwillig und gläubig hingenommen, sondern allenfalls nachsichtig registriert, aber nicht als verbindlich angesehen. Während sich ältere Menschen noch mit Vorgaben aus Rom beschäftigen und sich mit ihnen aus­einandersetzen, interessieren diese jüngere nicht mehr. Päpstliche Verlautbarungen zur Sexualethik gelten als kurios und als Beweis dafür, dass die Kirche doch ziemlich wirk­lich­keitsfremd ist. Aber das empfinden junge Menschen gar nicht als gravierend, weil sie auf diesem Gebiet Anweisungen ohnehin ungern als verbindlich ansehen, ganz gleich, von wem sie kommen. Auf technischem Gebiet sind sie hingegen selbstver­ständlich bereit, Gebrauchsanweisungen strikt zu befolgen. Sie lassen sich auch im privaten Bereich durchaus von praktischen Erwägungen der Zweckmäßigkeit und von charakterlichen Grundsätzen leiten. Hinweise auf die verantwortete Elternschaft zum Beispiel, wie sie das letzte Konzil genannt hat, finden Zustimmung. Bloße Verbote, zumal wenn sie nicht begründet sind, werden nicht beachtet.

Trotz ihrer gelegentlich widerspenstigen Oppositionsbereitschaft brauchen, ja wollen die jungen Menschen Autorität und Führung. Sie verlangen jedoch, dass diese mit Verstän­dnis, sachlicher Argumentation und Überzeugungskraft verbunden werden. Nietzsches Wort von der ,,Wollust des Gehorsams“ gilt immer noch.

Hier liegt eine wesentliche Aufgabe der Schule. Dabei darf man ruhig von den früheren Jesuitenschulen oder von der Wirtschaft lernen: wenn man etwas erreichen will, sind zur Vermittlung gerade die besten Leute gut genug. Da ist es dann zumindest eigen­artig, wenn man ausgerechnet an katholische Schulen manchmal Geistliche als Reli­gions­lehrer schickt, die sonst nirgends brauchbar sind. Dies vermutlich in der schlichten Meinung, dass die Schüler einer katholischen Schule ja bräver seien und den armen Religionslehrer schonen werden.

Notwendig ist das Gegenteil: Schulseelsorger müssen besonders tüchtige und vielleicht auch verhältnismäßig robuste Geistliche sein. Die jungen Leute sind bei Gesprächen nämlich von einer nicht immer angenehmen Direktheit oder gar von einer Taktlosigkeit, die sie irrtümlich als Ehrlichkeit empfinden. Sie machen kein Hehl daraus, dass sie gar nicht erwarten, dass aus den Äußerungen von Lehrern, Priestern und Bischöfen immer Weisheit oder gar der Hl. Geist spricht.

Gerade deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass sich auch die Leitungskräfte einer Diözese um die katholischen Schulen kümmern, nicht nur durch Zustimmung zu finan­ziellen Aufwendungen, sondern auch durch ganz praktische Zuwendung. Die Gründe liegen auf der Hand: einmal, weil die Diözesen ja doch einiges Geld in ihre Schulen stecken; zum zweiten, weil die jungen Menschen für die Zukunft unserer Kirche wichtig sind und sich durch die Anwesenheit maßgeblicher Führungskräfte der Kirche ernst­genommen fühlen.

Während meiner Tätigkeit an einer Schule in kirchlicher Trägerschaft hatten wir Politiker und Dichter, Künstler und erfolgreiche Wirtschaftler zu Gast, aber nie einen rang­hö­he­ren Vertreter der Diözesen, der sich den Schülern zur Diskussion gestellt hätte. Hinge­gen war es kein Problem, Ignatz Bubis zu einem Vortrag und zu einer längeren, außer­ordentlich freimütig geführten Diskussion zu gewinnen oder Martin Walser nach seinen Ansichten befragen zu lassen.

Dabei wäre es für maßgebende Personen der Diözesen durchaus sinnvoll, mit Schülern verschiedener Altersstufen zu sprechen. Dann könnten sie hören, wo junge Menschen Probleme haben. Hier hätten sie die Chance, die bei keiner Predigt gegeben ist, im Gespräch viele Missverständnisse auszuräumen und ungute Vorurteile zu berichtigen.

Ihre Aussagen könnten lange nachwirken und vielleicht sogar ganz entscheidende Weichen für das stellen, was wir mit unseren katholischen Schulen wollen. Ihr wesent­liches Ziel besteht nämlich darin, Türen zum Glauben zu öffnen. Dafür bieten sich zahl­reiche Möglichkeiten.

Um mit der lediglich dem Alter nach untersten Stufe zu beginnen: es kann entscheidend sein, dass im Kindergarten Erzieherinnen tätig sind, die Verbindung zur Kirche haben. (Ob die Reinigungsfrau ebenfalls dem christlichen Bekenntnis angehört, ist vielleicht erheblich weniger wichtig.) Im Kindergarten hören viele Kinder oft zum ersten Mal, dass es das Kreuzzeichen und Gebete gibt. Hier erleben die Kinder in einer Altersstufe, in der sie besonders aufnahmefähig sind, die Vorbereitung zu den großen Festen des Kir­chen­­jahres. Die Kirche weiß also sehr wohl, weshalb sie religiös geführte Kindergärten fördert!

Natürlich haben die weiterführenden Schulen noch erheblich bessere Möglichkeiten, junge Menschen zu beeinflussen. Wir unterrichten dort zwar, wie gesagt, weder beson­ders begabte, noch außerordentlich brave oder überdurchschnittlich aufge­schlossene Schüler. Aber es handelt sich um Schüler, die entweder selbst oder deren Eltern unsere Schule wegen ihrer Qualitäten gewählt haben. Diese Tatsache gewährt uns einen Spiel­raum, der durchaus genützt werden darf. Hier sollen junge Menschen mit christlichem Denken vertraut gemacht werden, das ihnen ihr Elternhaus vielfach nicht mehr ver­mit­teln kann.

In den meisten Familien wird nicht mehr gemeinsam gebetet. In den staatlichen weiter­führenden Schulen ist das Schulgebet nicht mehr üblich, weil es indifferente Lehrer und Schüler ablehnen. Damit haben die katholischen Schulen jedoch keine Probleme, und es ist ganz selbstverständlich, dass hier am Morgen eines jeden Schul­tages Leben und Arbeit in den Schutz Gottes gestellt werden.

Dabei kommt es nicht auf ein mehr oder weniger gleichgültiges und uninteressiertes Aufsagen immer gleicher Formeln an. Vielmehr lässt sich diese kurze Zeit zum Unter­richts­beginn im Zusammenwirken von Lehrer und Schülern sinnvoll gestalten. Die Gebete reichen vom Vaterunser über Gebetsvorschläge aus Büchern bis zum selbst­formulierten Text, der sprachlich vielleicht weniger gewandt ist, dafür aber die Sorgen und Wünsche der Schüler ausdrückt.

Die Schüler unserer katholischen Schulen empfinden es als selbstverständlich, dass bei Veranstaltungen wie Besinnungstage, Skikurse, Klassensprecherseminare vor den Mahl­zeiten gebetet wird: eine Erfahrung, welche sie daheim meist nicht mehr machen können.

An vielen katholischen Schulen gab es vor nicht allzu langer Zeit noch die regelmäßigen Schulmessen. Ihr Besuch durch Schüler und Lehrer nahm immer mehr ab, auch in klösterlichen Internaten. Das überrascht kaum, wenn man bedenkt, dass auch die Geist­lichen in den Pfarreien die Zahl ihrer Gottesdienste zunehmend einschränken und davon überzeugt sind, dass sie die Prioritäten anderweitig setzen müssen.

Die Schule findet aber genügend Anlässe, um Gottesdienste für die Schüler anzubieten, und wenn diese während der Schulzeit stattfinden, ist die Teilnahme Pflicht. Ich hatte zunächst damit gerechnet, dass es gegen die Verpflichtung zum Besuch der Gottes­dienste Proteste von Seiten der Schüler geben würde. Schüler sind gewohnt, sehr auf ihre Rechte zu achten. Zu meiner Überraschung kam aber nur der Wunsch, dass die Lehrer mit ihren Klassen gehen und streng auf Disziplin achten sollten.

Diese Gottesdienste sind dann sinnvoll, wenn sie von Lehrern und Schülern sorgfältig vorbereitet werden. Dann wird aus dem zunächst neutralen Angebot einer Schulver­anstaltung ein Gottesdienst für Schüler, zu dem sie durch Mitarbeit ein persönliches Verhältnis erhalten. Vielleicht wirkt sich diese Erfahrung später einmal auf den Besuch des Sonntagsgottesdienstes aus.

Die katholische Schule verfügt über zahllose Möglichkeiten, auch im Unterricht einen positiven Einfluss auf die Schüler auszuüben. Damit ist nicht gemeint, dass die Schüler in irgend einer Weise indoktriniert werden sollen. Aber tüchtige Lehrer, die ihnen fach­lich und charakterlich imponieren, werden die Art ihres Denkens, und ihre Grundsätze beeinflussen. Ein Lehrer kann durch böse oder zynische Bemerkungen über Kirche und Glauben viel zerstören. Ebenso kann er durch seine Äußerungen leichter als die Eltern einen außerordentlich günstigen und nachhaltigen Einfluss ausüben.

In der Studienordnung der Jesuiten von 1599 steht bereits die wichtige Forderung, man müsse ,,die Wissenschaften derart vortragen, dass die Menschen hierdurch zur Erkennt­nis und Liebe unseres Schöpfers und Erlösers angeregt werden“. Nicht nur Theologie und Philosophie, auch die Naturwissenschaften erschließen die Wirklichkeit Gottes!

In einer Zeit, in der ein junger Mensch seinen eigenen Weg sucht, kann er durch den Lehrer für sein Leben geprägt werden. Die Chancen, welche sich durch diese Tatsache für die katholische Schule anbieten, werden hier ebenso deutlich wie die Verantwor­tung, die sich daraus für die Auswahl der Lehrer und vor allem der Schulleiter ergibt. Junge Menschen wollen nicht nur reden, sondern auch selbst etwas bewirken. Kein Wunder, dass die Schüler an katholischen Schulen für soziale Aktivitäten in besonderer Weise aufgeschlossen sind. Ich nenne einige Beispiele von meiner ehemaligen Schule. Da gab es einen sogenannten ,,Ausländertag“, bei dem unangestrengt, aber wirksam die Probleme für Ausländer in Deutschland an einer Fülle von Beispielen aus dem All­tag gezeigt wurden. Organisiert wurde die Veranstaltung von Schülern und Kollegen, die sich in ihrer Freizeit regelmäßig ehrenamtlich um Ausländer kümmern.

Zu den Anliegen der Schüler gehört auch die Sorge um unsere Umwelt, dies aber nicht in Form von idealen Wünschen oder einer einmaligen spektakulären Maßnahme, sondern im Alltagsleben. Unsere Aktivitäten dafür wurden überwiegend von den Schülern angeregt und waren so überzeugend, dass die Schule den Umweltpreis der Stadt erhielt. Alle zwei Jahre organisieren die Marien-Realschule und das Marien-Gymnasium in Kaufbeuren eine sogenannte Fastenaktion, die beim letzten Mal einen Betrag von über 50 000 Mark erbracht hat. Mit einem derartigen Summe lässt sich natürlich manch Gutes bewirken. Weit wichtiger als der finanzielle Erlös, auf den die Schüler selbstverständlich auch stolz sind, ist der ideelle Gewinn. Junge Menschen lernen dadurch ganz selbstverständlich, dass man nicht nur fordern darf, sondern sich mit eigener Anstrengung für andere einsetzen muss. Dabei sind dann Kreativität und persönliche Mühe gefragt, denn eine derartige Aktion ist nur möglich, wenn Lehrer und Schüler gemeinsam basteln, backen, kochen und verkaufen. Die Lehrer müssen raten, aufmuntern, selbst mit anpacken. Die gemeinsame Arbeit trägt überdies viel zum guten Schulklima bei.

Selbstverständlich soll das Leben an der katholischen Schule von christlicher Freude und Fröhlichkeit geprägt sein. Wir brauchen keine verquälten, unwilligen oder grantigen Lehrer, sondern solche, die Spaß an ihrem Unterrichtsfach und Freude am Umgang mit jungen Menschen haben. Die Atmosphäre im Klassenzimmer darf weder von zäher Langeweile noch von verbissener, einfallsloser Strenge bestimmt sein.

Was hier über die Möglichkeiten der katholischen Schule gesagt wurde, ist durchaus kein Idealbild. Umzusetzen ist es jedoch nur durch getreue Pflichterfüllung im Alltag, die geprägt wird von der Verwirklichung zahlloser Kleinigkeiten, nicht nur von glanzvollen Höhepunkten. Auch an katholischen Schulen muss es Reibungen geben, müssen die Sorgen anderer mitgetragen werden, muss gelernt werden, wie man mit Schwierig­kei­ten und Missverständnissen fertig wird. Das gehört zum Leben jeder Schule. Die Tat­sache jedoch, dass die katholische Schule von der Grundlage des christlichen Glau­bens getragen ist, macht den Unterschied zur staatlichen Schule aus. Nicht Erfolge im Unterricht und im Schulleben, die engagierte Lehrer oft erzielen und die zum guten Ruf der katholischen Schule beitragen, sind entscheidend, selbst wenn sie natürlich ihren Eigenwert haben. Ihre Berechtigung erhalten unsere Schulen durch den Dienst an jungen Menschen und durch den Dienst für die Kirche. Der katholischen Schule kommt ein wesentlicher Teil der Verkündigungsaufgabe zu, schon deshalb, weil sie Zugang zu vielen Menschen hat, welche die Kirche sonst nicht erreichen würde.

Selbstverständlich gibt es auch an der katholischen Schule nicht nur vollkommene Menschen. Ihre Schulleiter und Lehrer werden sich immer wieder fragen müssen, inwieweit sie ihrem Auftrag und ihrem Ziel gerecht werden. Sie können für das spätere Leben ihrer Schüler nicht garantieren; aber sie können Maßstäbe mitgeben, Pflöcke einschlagen, an denen die Richtung ablesbar ist. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass die Schulen für das spätere Leben weit stärker prägen, als man es zunächst gedacht hat. Natürlich wissen wir, dass unsere Kirche für alle Zeiten Zukunft hat. Aber ihre Existenz, ihr Gedeihen auf Erden, ihre Ausbreitung wurde ausdrücklich den Menschen über­tra­gen. Es ist nicht daran gedacht, dass wir die Hände in den Schoß legen und dem lieben Gott kritisch auf die Finger schauen, was er so alles vorhat und tut. Verbesserungen für die Kirche gab es immer nur, wenn Menschen mit neuen Ideen und der Bereitschaft zu oft beträchtlichen Opfern Missstände zu verbessern suchten.

Die katholische Kirche darf mit Stolz an Initiativen auf caritativem und schulischem Gebiet im 19. Jahrhundert erinnern. Da gab es in Dillingen die Gründung der Regens­-Wagner-Anstalten für schwer behinderte Menschen. In Ursberg eröffnete Dominikus Ringeisen ein Haus für die Allerärmsten, für die ,,verschleierten Ebenbilder Gottes“, wie er sie genannt hat. Daneben gründeten zahlreiche Klöster Schulen, für die sie vielfach unter großen Opfern und persönlichen Einschränkungen die nötigen Gebäude errich­te­ten. Sie waren davon überzeugt, dass sie mit ihrem Unterricht Fundamente des Glau­bens an junge Menschen weitergeben konnten.

Es gab viele tüchtige Pfarrer, die zur Ergänzung und Befestigung ihres seelsorgerlichen Wirkens darum bemüht waren, dass Klosterfrauen Kindergarten und Volksschule sowie die ambulante Krankenpflege übernahmen. Nicht selten stellten sie ihre Ersparnisse zur Verfügung, damit erst einmal die materielle Grundlage für eine solche Maßnahme geschaffen werden konnte. Sie waren davon überzeugt, dass die Zukunft ihrer Kirche von der Art und Weise abhing, wie die jungen Menschen in der Schule ausgebildet wurden. Vom Geld machten sie wenig Aufhebens; sie glaubten, dass diese Investi­tionen an Zeit und Kraft ihren Lohn auch in der Fülle von Berufungen für geistliche Berufe finden werden und hatten sich auch nicht getäuscht.

Gewiss, die Zeiten haben sich geändert. Wir können nicht mehr erwarten, dass sich unsere Sorgen wegen der zurückgehenden Zahlen von Priestern und Ordensangehö­rigen durch die Gründung von Klosterschulen oder katholischen Schulen automatisch beheben werden. Zurecht müssen wir auch die finanziellen Möglichkeiten berücksich­ti­gen, aber hätte man sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, das viel ärmer war als unsere Zeit, nur große Sorgen um das Geld gemacht, wäre es zu den meisten dieser Gründungen gar nicht gekommen.

Mit Sicherheit gehören die katholischen Schulen zu den Projekten, die wir nicht nur erhalten, sondern noch ausbauen müssen, wenn wir die jungen Menschen für uns gewinnen und verhindern wollen, dass sie irgendwelchen pseudoreligiösen Gemein­schaften nachlaufen.

Es macht zumindest nachdenklich, wenn Frau Herpetz-Dahlmann, Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Aachen feststellt, dass gerade unter jungen Leuten Depressionen in erschreckendem Maße zunehmen. Die Hauptursache sieht sie darin, dass die Heranwachsenden oft keine geistige Orientierung erhalten, dass ihnen die Chance verwehrt wird, eine geistigen Lebenssinn zu erhalten.

Die Tatsache, dass wir genau dies an unseren katholischen Schulen anstreben, lässt mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Zugleich aber ist sie auch Aufforderung zu weite­ren, intensiven Bemühungen, den Glauben erfahrbar zu machen. Unsere Verantwor­tungs­berei­tschaft für die Zukunft der Kirche lässt sich nicht zuletzt auch daran ablesen, was wir für unsere jungen Menschen, ihre religiöse Orientierung und die Qualität ihrer schulischen Ausbildung tun wollen.